Schutz vor Lärm
Lärmquellen gibt es überall, mehr oder weniger natürliche. Spontan denkt man an: Industrielärm, Verkehrslärm, Fluglärm, Geräusche von Großveranstaltungen, aber auch Musik vom Nachbarn. So schrieb schon Wilhelm Busch: Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden. Sogar Paartherapeuten wissen schmunzelnd davon zu berichten, dass mancher Partner die Kommunikationsversuche des Anderen „als Lärm“ empfindet. Objektiv steht jedenfalls fest: Lärm macht krank. Dem Schallschutz allgemein wurde sich in Deutschland bereits im Jahr 1938 mit der DIN 4110 angenommen. Seit 1944 steht auch der Gesundheitsschutz, zur Vermeidung unzumutbarer Belästigung, mit der uns numerisch nach wie vor bekannten DIN 4109, im Fokus dieser Norm.
Aber was ist Lärm eigentlich? Das Wort Lärm hat seinen Ursprung im Italienischen. All´arme bedeutet wörtlich „zu den Waffen“. Und so mag sich mancher Mensch dann auch fühlen, sobald er sich von einer, mehr oder minder definierbaren Schallquelle belästigt fühlt. Ob Geräusche als Lärm empfunden werden ist von der Wahrnehmung eines Jeden einzelnen selbst abhängig, nämlich davon, wie er die Schallquelle als solche bewertet. Lärm zeichnet sich i.d.R. „als Schallereignis aus, welches durch seine Struktur – meist durch die reine Lautstärke oder Frequenzzusammensetzung – auf die Umwelt störend, belastend oder gar gesundheitsschädigend wirkt“.
Doch der reine Schalldruckpegel ist es meist nicht alleine, was stört. Die Tonhöhe, Tonhaltigkeit und Impulshaltigkeit können den reinen Schalldruckpegel, der gar nicht hoch sein muss, in der Wahrnehmung, also subjektiv, intensiver erscheinen lassen, als er messtechnisch, also objektiv, ist. Ein Beispiel: die kreisende Stechmücke nahe dem Ohr. So werden hohe Töne meist unangenehmer empfunden als tiefere. Tonale Komponenten in einem Geräusch, man spricht hier von Tonhaltigkeit, erhöhen gar die Lautstärkeempfindung. Starke Pegeländerungen oder rhythmisierte Geräusche irritieren deutlich mehr als Schallquellen mit konstantem Pegel.
Schallschutz und die lieben Nachbarn
Doch welches Maß an Schallschutz muss ein Bau, eine Wohnung haben, um Wohnwert zu besitzen? Auch hier: das subjektive Maß weicht von objektiven Werten deutlich ab. Der Anspruch „nach Ruhe in den eigenen vier Wänden“ stieg die letzten Jahre deutlich an. Grundsätzlich gilt es schallschutztechnisch gesehen als normal das nachbarschaftliche Alltagsleben – soweit in Zimmerlautstärke gelebt/gesprochen wird – zu HÖREN, nicht aber es inhaltlich zu VERSTEHEN! Die DIN 4109 dient demnach dem Schutz der Privatsphäre und nicht der „totalen Schallisolation“ vom Nachbarn, wie es nicht selten angenommen wird. Neben Sprache und Musik (Luftschall) gibt es aber auch noch den Trittschall. Vergleicht man 1962 und 1989 wurde z.B. der Trittschallwert (Lnw) um 10 dB gesenkt, sprich verbessert.
Die bis 2018 noch gültige DIN 4109 (aus dem Jahr 1989), mit ihrem Beiblatt 2, war so stark von Kompromissen geprägt, dass sich der „erhöhte Schallschutz“ vom Mindestschallschutz teilweise nur geringfügig unterschied. Bei Decken betrug der Unterschied gerade mal 2 dB, bei Wänden sogar nur 1 dB! Selbst nach der alternativ angewandten VDI Richtlinie 4100 sind es gerade mal 3 dB (Luftschall). Bedenkt man hierbei, dass 3 dB Pegelunterschied als „gerade mal wahrnehmbar“ einzustufen sind, kann von einem erhöhten Schallschutz mit Nichten gesprochen werden. Gott sei Dank wurde die DIN 4109 im Jahr 2018 umfänglich überarbeitet.
Sinnvolle Schallschutzvorgaben
Doch was ist rechtlich geschuldet? Laut dem BGH soll bei Streitigkeiten ein dreistufiges Prüfschema angewandt werden. Rechtlich ist dabei die „Erwartungshaltung“ relevant. Diese lässt sich von den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ herleiten, wonach das annehmbar ist, was „regelmäßig gebaut wird“ – soweit nichts anders vereinbart ist. Soweit also nichts anderes vereinbart ist, sind Bauten, welche die DIN 4109 oder VDI 4100 erfüllen, rechtlich gesehen, nicht zu beanstanden.
Der damalige Still- und Rückstand der DIN 4109 war und die inhaltlich unvollständige VDI 4100 ist inakzeptabel. Dem steigenden Verlangen nach Privatsphäre und gewünschter Wohnqualität wird dies nicht mehr gerecht. Selbst Standardbaustoffe leisten mittlerweile, korrekt und definiert angewandt, mehr als es ihnen die Norm abverlangt – ohne dabei wesentlich höhere Baukosten zu verursachen!
Um diesen, für Viele mittlerweile selbstverständlichen, Wohnstandard zu erlangen genügen jedoch nicht die Vorgaben der Norm alleine, nach denen sich Baufirmen, Architekten & Co. gerne richten. Sinnvolle Bauvertragsvorgaben, insbesondere eine konsequente Überprüfung der Ergebnisse mit entsprechenden Bewertungskriterien sind der zielorientierte und rechtssichere Ausweg.
Der Schallschutzausweis
Die DEGA, die größte Vereinigung für Akustik in Europa, hat sich diesem Problem bereits im Jahr 2008 konsequent angenommen und eine praxisbezogene Klassifizierung und Bewertung im Schallschutz erarbeitet. Da DIN Normen freiwillig und (grundsätzlich) nicht rechtsbindend sind, kann demnach ebenso die DEGA Empfehlung 103 „Schallschutz im Wohnungsbau“ als qualitativer Maßstab vereinbart werden. Der DEGA Schallschutzausweis gibt dabei Aufschluss über die Merkmale auf welche Wert gelegt wird und wie die gewünschte Schutzschutzklassifikation nachvollziehbar erreichbar ist.
Das Anforderungsniveau dient dem „Schutz der Bewohner in Wohneinheiten“ und nicht planerischen und baulichen Interessen, der Art des Gebäudes oder der Grundrissgestaltung. Ferner bietet der DEGA Schallschutzausweis dem Verbraucher Transparenz und die Chance einer mündigen Bewertung des erreichten Schallschutzniveaus, der die jeweilige Wohn-Ist-Situation ganzheitlich und objektiv berücksichtigt. Der DEGA Schallschutzausweis gibt somit nicht nur Aufschluss über einen „Wohnwertstandard“, sondern kann helfen den Mietzins einer (Ver)Mietung zu rechtfertigen. Folglich ist es nicht nur ein Mehrwert für den Bauherrn!